Ordentliches Handwerk


Aus der SindelfingerZeitung/BöblingerZeitung vom 20.04.2011 - Bericht von Bernd Heiden


Es muss nicht immer Bach sein. Die Böblinger Kantorei unter Leitung von Stadtkantor Eckhart Böhm führte die Markuspassion von Reinhard Keiser in der Böblinger Stadtkirche auf.

Auch wenn der Name Keiser neben Komponisten wie Bach, Händel oder Telemann heutzutage wie ein unbeschriebenes Blatt anmutet, er war zu Lebzeiten eine strahlende Größe vor allem im deutschen Musikleben. Dass der 1674 bei Weißenfels geborene, 1739 in Hamburg gestorbene Keiser heute im Schatten seiner Zeitgenossen steht, liegt wohl daran, dass Opernhäuser im Vergleich zu Kirchen, den Spielstätten von Oratorien, ganz dünn gesät sind: Keiser komponierte um die 75 Opern, von denen immerhin rund 30 erhalten sind.

Er leitete lange Jahre die Oper am Gänsemarkt in der Hansestadt, bevor er über Zwischenstationen in Stuttgart und Kopenhagen nach Hamburg zurückkehrte, dort 1728 als Nachfolger von Johann Mattheson Domkantor wurde und sich überwiegend der Kirchenmusik widmete.

Die Keiser zugeschriebene Passion nach dem Text des Evangelisten Markus, 1713 und später noch mehrfach von Johann Sebastian Bach selbst aufgeführt, stammt also aus einer Phase, die weit vor Keisers Hinwendung zur Kirchenmusik liegt. Wie typisch für die Gattung Oratorium sieht auch Keisers Passion, die mit Jesus am Ölberg einsetzt, eine Aufteilung in Rezitative, also gesungene, solistische Erzählerrollen, Solo-arien und Konzert- wie Choralsätze für den Chor vor sowie reine Orchestersätze.

Gefällig und eingängig

Im Vergleich zum großen Bach bleibt festzuhalten: Es fällt zunächst einmal vom Umfang her viel kleiner aus. Die Musik selbst ist weit entfernt von dessen harmonisch-rhythmischer Raffinesse, eher gefällig und eingängig. Obwohl die Chorsätze auch kontrapunktische Passagen haben, ist vieles homophon, das heißt im rhythmischen Gleichschritt gearbeitet. Sind Bachs Passionen große, hochkomplexe, dabei eindrückliche Kunstwerke, so mutet Keisers Markuspassion wie gutes und ordentliches Handwerk an. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Unter Leitung von Stadtkirchenkantor Eckhart Böhm gelingt der Kantorei eine solide Aufführung mit vielen klanglich sehr ansprechenden, teils differenziert gestalteten Chorälen. Der Chor klingt rund, kann aber bei dem Stück nicht wirklich glänzen. Dafür sind selbst die Fugen zu schlicht. Auch wenns da mal kurz im Alt richtig wackelt, insgesamt hinterlässt der Chor den Eindruck, seinen Part gründlich einstudiert zu haben.

Deutliche Akzente

Clemens König in der exponierten Tenorrolle des Evangelisten spart zwar ziemlich am Affekt und setzt wenige, dafür aber deutliche Akzente. Sopranistin Susanne Moldenhauer hat für die Barockstilistik zu viel Vibrato in ihrer Stimme, die zudem nicht immer aufblühen will und in der Höhe mitunter hingequetscht klingt. Mit Anne Catherine Wanger wurde eine Altistin mit heimeligem Stimmtimbre verpflichtet, die in den Arien für die schönsten Konzertmomente sorgt. Wärme und Güte geht von Bernhard Hartmann in der Rolle des Jesus-Basses aus.

Das mit sieben Köpfen, Streicher plus Chororgel, besetzte Orchester spielt zwar auf modernen Instrumenten, klingt aber barock-definiert und dazu dicht. Die Rezitativbegleitung gelingt mit Ausnahmen meistenteils präzise.