Glanz mit matten Flecken



Mit freundlicher Unterstützung der Sindelfinger Zeitung - Böblinger Zeitung vom 9.12.2013
Von unserem Mitarbeiter Bernd Heiden

http://www.szbz.de/uploads/pics/rsi0000000666886.jpgWenn vor dem Konzert der Dirigent sich mit einer Ansprache ans Publikum wendet, hat das selten Gutes zu bedeuten. Die Botschaft von Eckhart Böhm war in der Tat etwas beunruhigend. Krankheitshalber hatten Organistin wie Solosopranistin absagen müssen. Die gute Nachricht: Es war für beide Ersatz gefunden worden. Die gerade bei John Rutter umfangreiche Sopranpartie übernahm Jeanette Bühler.

Zum Finale stand dann fest, dass die Rede von Ersatzsängerin despektierlich wäre: Als Solistin an der Seite der vorzüglichen Altistin Xenia Maria Mann erwies sich Jeanette Bühler als gleichrangig. Auch wenn sie vermutlich zwei, drei Töne bei längerer Vorbereitungszeit selbst gerne etwas direkter angesungen hätte. Bei der Kantorei gab es ebenfalls viel Glanz, freilich aber auch mattere Stellen, was an teils anspruchsvollen Chorstellen, teils an Besetzungsfragen lag.

In „A Ceremony of Carols“ hat Benjamin Britten acht englische Gedichte aus dem 14. und 15. Jahrhundert mit überwiegend geistlichem Inhalt vertont. Wie ganz typisch für den Komponisten, bedient er sich unorthodox einer Tonsprache, die die Tradition anzapft, aber auch Schlenker und Exkurse mit recht extravaganten harmonischen, modern klingenden Bewegungen nicht scheut. Homophon kompakte und einfache Chorpartien wechseln dabei ab mit kunstvoll imitatorischen, feingliedrigen Sätzen.

Die Kantorei produziert bei Britten sowohl rhythmisch-repetitive Wucht wie zartschwebend-seidige Idylle. Gerade in offenen Partien macht sich indes der Respekt vor dem Stück mitunter bemerkbar und bei insgesamt guter Klarheit und Ordnung gelingt nicht immer die allerletzte Profilschärfe. Ganz erstaunlich, wie das einzige Begleitins-trument, die vom virtuosen Tobias Southcott gespielte Konzertharfe, in der Martin-Luther-Kirche ganz allein dem großen Chor selbst im Tuttiforte Paroli bietet.

Auch John Rutters opulent instrumentiertes „Magnificat“ ist ein Werk, das vom großen Kontrastreichtum lebt. Anders als Britten macht er mit großer Orchesterbesetzung auch Anleihen bei der Popularmusik, vor allem, wenn es um Extrovertiertheit geht. Das macht diese, in Details mit kniffligen Akkorden gespickte Vertonung des Marien-Lobgesangs keineswegs einfacher, sondern stellt auch das Böblinger „Concentus“-Orchester, sehr auffällig kurz im Schlusssatz, vor rhythmische Herausforderungen.

John Rutters Komposition aber ist das Stück, das die derzeitigen Chorstärken und -probleme prononciert offenbart. So lässt der Chorsopran bei Gelegenheit Leuchtfeuer hören, wie überhaupt die Frauen mit gutem Vorwärtszug singen. Die Männer wirken weniger munter und sind bei ein paar Stellen, etwa zum Auftakt des „Fecit potentiam“ deutlich unterbesetzt. Was sich auch im Gesamtklangbild mit Frauenstimmenüberhang niederschlägt.

Trotz dieser kleineren Defizite eine überzeugende Aufführung dank kleiner und großer Spannungsbögen nebst vielen atmosphärischen Grauwerten, die Dirigent und Chorleiter Eckhart Böhm (Bild: Stampe/A) dem Chor entlockt. Beste Zeugnisse pointierten Singens auf den Punkt bringt nicht zuletzt der Schluss. Mit dem „Concentus“ Böblingen stand ein professionell aufspielendes Orchester parat, das wie oben angedeutet nur für Bruchteile manch Partiturtücken erahnen ließ.