Kantor Eckhardt Böhm überzeugt auch als Kabarettist
Gut besuchtes Konzert der Böblinger Kantorei mit Bläsern der Stadtkirche im ökumenischen Gemeindezentrum auf der Diezenhalde


Von Jan Renz
Mit freundlicher Unterstützung der KREISZEITUNG Böblinger Bote

BÖBLINGEN. Es war ein Konzert ohne Programm. Das heißt, ein Programm gab es schon, aber keine Programmzettel, auf dem die Werke und die Ausführenden verzeichnet gewesen wären. „Sie halten nichts in Händen“, stellte Eckhart Böhm am Anfang dieses Sommerkonzerts messerscharf fest. Man wusste also nicht, was einen erwartete. Aber man kennt die Akteure in der Region, und alles Unbekannte wurde angesagt. Als die Sängerinnen und Sänger der Böblinger Kantorei in luftiger bunter Freizeitkleidung den hellen Rundbau des ökumenischen Gemeindezentrums auf der Diezenhalde betraten, war eigentlich schon klar: Es würde kein bierernstes Kirchenkonzert werden, sondern ein bunter, leichter Abend, so entspannend wie der schöne Sommerabend samt heiterem Himmel. Klassik kann schließlich witzig sein und Spaß machen.

Man kennt Eckhart Böhm, den Kantor und Orgelimprovisator, als humorvollen Menschen. An der Orgel sorgt er oft für geistvolle Überraschungen. Der Leiter der Böblinger Kantorei ist aber auch ein fähiger Kabarettist. Mit Witz und großer Schlagfertigkeit führte er am Sonntag durchs Programm. So mimte er nach Wagners „Brautchor“ aus „Lohengrin“ einen wohlmeinenden schwäbischen Pfarrer, der ein junges Paar traut. Seinem Publikum machte Böhm es leicht: Er ließ die Blechbläser der Stadtkirche einen verfremdeten Choral spielen, und das Publikum durfte raten. Es war wirklich nicht schwer. Jedes Kind kennt „Geh aus mein Herz und suche Freud“. Zwei Dutzend Kirchenlieder von Paul Gerhardt finden sich im Gesangbuch, hat Böhm nachgezählt. Einige davon ließ er das Publikum  nachsprechen und nachsingen. Für Heiterkeit standen auch Werke von Joseph Haydn, Musik voller Witz und Überraschungen.

Überschrieben war das Programm mit „aus heiterem Himmel – über Gott und die Welt“. Es war ein Abend mit geistlicher und weltlicher Musik. „Wir beginnen im Himmel“, stellte Böhm lakonisch fest und meinte einen Satz von Heinrich Schütz „Jauchzet dem Herrn“, hell und freundlich dargeboten.
Auch Werke der beiden Jubilare Wagner und Verdi sind zu hören
Und man lernte auch etwas: Anlässlich des Wagner-Jubiläums wurde ein Jugendwerk des Meisters aufgeführt, eine Vertonung der Zeile „Dein ist das Reich in Ewigkeit.“ Aus diesen wenigen Worten macht der 18-Jährige ein langes Stück. „Schon als sehr junger Mann hat er die Länge geliebt“, meinte Böhm. Wagner war der Schöpfer der unendlichen Melodie. Die Melodie dieses Frühwerks ist noch nicht unendlich, aber ziemlich lang. Schon hier macht sich Wagners Schwäche für Vielstimmigkeit bemerkbar, die in den „Meistersingern“ (über vier Stunden Dauer) einen Höhepunkt finden sollte. Danach begab sich der Kirchenchor ins Opernhaus. Ein anderer Jubilar durfte nicht fehlen: Giuseppe Verdi, der wie Wagner 1813 geboren wurde. Ohne aufzubrausen, sanft und leise sang der Chor den „Gefangenenchor“ aus der Oper „Nabucco“ („Va, pensiero“). Fast hätte man mitgesungen.

Später wurden Gegenwelten zu Wagner berührt: Robert Schumann und Johannes Brahms, mit beiden konnte Wagner wenig anfangen. Die munteren Bläser der Stadtkirche intonierten Schumanns „Fröhlichen Landmann“ im Stil einer New-Orleans-Jazz-Band.

Gegen Ende boten Senta Eisenbacher und Katrin König am Klavier einige Walzer für vier Hände von Johannes Brahms: elegant und klangschön. Den ganzen Abend über begleiteten die Damen an Klavier und Orgel den Chor. Die Kantorei sang fast 90 Minuten sehr schwungvoll. Was mit Schütz begann, endete mit Brahms. Die Kantorei stellte ihre Vielseitigkeit unter Beweis. „Zum Schluss noch einige Liebeslieder-Walzer von Brahms. Und dann können Sie getrost nach Hause gehen“, sagte Böhm. Irrtum: Das Publikum ging nicht nach Hause, sondern wollte noch mehr hören und erklatschte eine Zugabe.