Erinnerung an den Advent

17.07.2012 - Von Bernd Heiden, Mitarbeiter der SZBZ. Bericht mit freundlicher Unterstützung der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung.

Am Ende des Konzerts verwies der evangelische Stadtkantor zwar auf die Vorweihnachtszeit. Doch nur, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf das im Dezember folgende Konzert der Kantorei zu lenken. Freilich, der Gedanke an Vorweihnachtszeit ließ sich bereits beim jetzigen Konzert nicht abweisen – was nur zum kleinsten Teil am derzeit herrschenden Wetter lag. Vielmehr sind Bachkantaten im Dreierpack an den Adventswochenenden eine häufig anzutreffende Praxis, wenn Teile aus Johann Sebastian Bachs sechsteiligem Weihnachtsoratorium aufgeführt werden.

Bach geballt vermag bei geschickter Anordnung allerdings sehr wohl auch unterm Jahr sehr reizvoll sein. Das bewies die Kantorei mit dieser Trilogie nachdrücklich. So setzte sie an den Anfang mit „Du Hirte Israel, höre“ eine Kantate, die deutlich Bezüge zu pastoraler Schlichtheit aufweist, wobei schlicht bei Johann Sebastian Bach natürlich immer relativ zu sehen ist. Das Finale jedenfalls ist ein sehr einfach gehaltener Choral, den Eckhart Böhm dementsprechend schmucklos singen lässt.

Lebte bei der Kantate BWV 104 die Hirtenwelt auf, trübte sich die Atmosphäre mit der nachfolgenden „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden“ ein: Das in Moll daherkommende Werk mit seinem kantatentypischen Wechsel von Chor, solistischen Rezitativen und Arien mutet im Zusammenhang mit dem Vorgängerstück wie das Flehen einer Schafherde an, die fürchtet, ihren Hirten zu verlieren. Allerdings finden sich hier spektakuläre Partien der eigentlich nur umspielenden, die Solosänger aber oft überbietenden Instrumentalsolisten: Cellistin Ingrid Uhle, Violinistin Bettina Sommer und Irene Göser-Streicher zeigen hier viel Klasse.

Nach pastoraler und gedrückter Stimmung verbreitet sich mit der abschließenden Himmelfahrtskantate „Lobet Gott in seinen Reichen“ mit zusätzlich aufmarschierten Pauken und Trompeten dann der große, sogar ein wenig pompöse Jubelglanz mit einem so großen wie kunstvollen Chor-Konzertsatz zum Abschluss – das nennt man vollendete Dramaturgie.

Der Chor zeigt sich übers ganze Konzert dabei prima eingestellt, trumpft mit der Schlusskantate unter Böhms schwungvollem Dirigat auch mit beachtlichem Volumen auf. Die Tempi sind durchweg frisch, aber nicht sportiv. Das Ensemble bildet teils sehr deutlich die barocken Figuren wie Seufzer ab, ohne aber ins manieriert-überzeichnete zu rutschen.

Auch wenn die Kantorei kein Jugendchor mehr ist, der Klang ist insgesamt sehr passabel wie auch die Abbildung selbst großer Stimmverschlingungen. Seine Grenzen findet dies an der Besetzung: Die Tenöre sind zwar gut, mit drei Mann bei insgesamt rund dreißig Chorkehlen aber zu schwach bestückt. Wie enorm allein eine Stimme mehr das Klangbild ins Positive korrigiert offenbart die Wiederholung des Schluss-Satzes zur Zugabe, als sich Solist Alexander Yudenkov in die Chortenöre einreiht.

Mit Altistin Sabine Schilling, Tenor Alexander Yudenkov und Bernhard Hartmann als Bass hören die Besucher der gut besuchten Stadtkirche sehr hochwertige Solisten. Sopranistin Ellen Majer bietet eine ordentliche Partie, während das aus regionalen Musikern zusammengestellte Instrumentalensemble einen durchweg professionellen Eindruck hinterlässt.