Stadtherr überzeugt in der Stadtkirche

30-jähriger Dirigent bekommt Beifall und Komplimente beim Sommerkonzert der Böblinger Kantorei


Von Jan Renz
Mit freundlicher Unterstützung der KREISZEITUNG Böblinger Bote


BÖBLINGEN. Am Ende lächelte er zufrieden ins Publikum und nahm so den großen Applaus entgegen: Michael Stadtherr hatte seine Sache sehr gut gemacht. Der 30-jährige Dirigent hatte gemeinsam mit der Böblinger Kantorei und weiteren Künstlern eine überzeugende Vorstellung in einer gut besuchten Stadtkirche gegeben. Zum Bedauern vieler wird es davon keine Fortsetzung geben: Im September verabschiedet sich Michael Stadtherr, der momentan den erkrankten Böblinger Kantor Eckhart Böhm vertritt, aus beruflichen Gründen in Richtung Plochingen.

Für das Sommerkonzert der Böblinger Kantorei hatte er ein schlüssiges Programm zusammengestellt mit Werken von Mendelssohn und Bach. Felix Mendelssohn Bartholdy war ein Bach-Fan und ein gläubiger Christ. Er initiierte die Bach-Renaissance mit der Aufführung der „Matthäuspassion“ im Jahr 1829 in Berlin.

Am Anfang des Sommerkonzerts stand Bachs Frühwerk „Nach dir, Herr, verlanget mich“ BWV 150. Das Werk des jungen Komponisten ist Musik von ungeheurer Intensität, mit ausgedehnten, dichten Chorpartien und raffinierter Chromatik. Christoph Wolf, der Direktor des Bach-Archivs Leipzig, schreibt über den Komponisten: „Insgesamt zeigen diese frühen Stücke ein so hohes Niveau, dass sie sich ohne Weiteres mit der allerbesten Kirchenmusik vom Anfang des 18. Jahrhunderts messen können.“

Begleitet wurde die Kantorei von einem sehr sicheren Kammerorchester, das das Konzert mit vollem Klang eröffnete. Bei der nächsten Kantate, „Jauchzet Gott in allen Landen“ BWV 51, wurde der Chor auf einige Frauenstimmen reduziert, hier beeindruckte die Sopranistin Catherina Witting. Anfangs klang ihre Stimme etwas streng, aber dann strahlte sie.

Das erste Wort dieser Kantate (das „Jauchzet“) wird endlos gedehnt, mit allem erdenklichen Aufwand wird dieses Wort ausgeschmückt. Trompete (verblüffend kraftvoll: Elisabeth Fessler) und Sopran glänzten um die Wette. Dem „Jauchzet“ entspricht ganz am Ende das „Halleluja“, gespickt mit Spitzentönen, die die junge Frau sicher setzte. Beim Wort „Höchster“ steigt die Stimme in die Höhe. Schwerelos sangen das die Frauenstimmen der Kantorei.

Bach war nicht nur ein Meister des Kontrapunkts, er liebte auch die Melodie. Das verbindet ihn mit Mendelssohn. Der „Psalm 42“ ist so ein Mendelssohn-Werk, bei dem strenge Geister die Nase rümpfen: Das ist doch übermäßig süßliche Musik. Im 20. Jahrhundert wurde dieser Vorwurf oft erhoben. Man muss sich ihm nicht anschließen. Dagegen steht das Urteil eines Experten: Robert Schumanns, der Mendelssohn sehr bewunderte. Der Komponist und Pianist Schumann sah den Kollegen „in diesem 42sten Psalm auf der höchsten Stufe, die er als Kirchenkomponist, die die neuere Kirchenmusik überhaupt erreicht hat“.

Drei Monate Vorbereitungszeit
Die Kantorei machte viel aus dieser schönen Musik, auf die Mendelssohn ziemlich stolz war. Ein milder Beginn, ein weiches romantisches Horn, überirdische Flöte, so fängt es an. „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele nach Dir“, heißt es in dem Psalm. Die Kantorei sang das gelassen und mit viel Wohlklang.

Auch die Solistinnen glänzten. Sopran und Trompete hatte Michael Stadtherr in die Böblinger Stadtkirche geholt – Catherina Witting ist eine Freundin des Dirigenten, Elisabeth Fessler eine Studienkollegin.

Vier Gesangssolisten waren in die Kantorei integriert: Marcus Elsäßer, Thorsten Portele (beide Tenor), Bariton Andreas Ocker und Bass Martin Hermann. Das Quartett brachte einiges an frischen Wind in die Stadtkirche. „Harret auf Gott“, das wird mehrmals wiederholt. „Bis in Ewigkeit“, so endet der Psalm. Leuchtend sang das der Chor. Hier äußert sich der gläubige Christ Mendelssohn und der Bach-Verehrer, der Meister des Kontrapunkts.

Drei Monate lang hat man sich auf dieses Konzert vorbereitet. Als „sehr positiv“ bezeichnete der junge Dirigent die Zusammenarbeit mit der Böblinger Kantorei. Es sei nicht ganz einfach für einen Chor, sich auf einen neuen Leiter einzustellen und umgekehrt. „Wir sind bestens miteinander zurecht gekommen“, resümierte Stadtherr.

Viele Konzertbesucher machten ihm an diesem Sonntag Komplimente. Trotzdem wird er bald weiterziehen: Ab September ist er Bezirkskantor im Kreis Esslingen mit Sitz in Plochingen. Dort wird er sicher auch für Akzente sorgen.