Nach König David herrscht Seligkeit

Böblinger Kreiszeitung - 16.7.2009 - Von Jan Renz


Böblinger Kantorei, Chor des AEG und der Concentus Böblingen unter Leitung von Eckhart Böhm

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Arthur Honegger hat die geraffte Geschichte einer biblischen Figur in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts vertont und sich dabei vieler Stile bedient. Gemeinsam gelang den Chören das anspruchsvolle Vorhaben in St. Maria Foto: Brändli


BÖBLINGEN. Als junger Mann fällte er mit der Steinschleuder einen Riesen, den depressiven König Saul munterte er mit seinem Harfenspiel auf, und auch sonst war er den Künsten zugetan: Er dichtete und sang, spielte und tanzte. Gleichzeitig war er ein großer Krieger, den die Feinde fürchten. Er begann als Lichtgestalt, war aber eine schillernde Figur, die immer wieder schuldig wurde und den Zorn Gottes heraufbeschwor: Die Rede ist von König David.

Arthur Honegger hat die geraffte Geschichte dieser biblischen Figur in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts vertont und sich dabei vieler Stile bedient: Mal hört man Strawinsky oder Weill, dann die Farbigkeit von Verismo-Opern und am Ende sogar Richard Wagner. Dieses anspruchsvolle, vielgestaltige Werk präsentierten jetzt die Böblinger Kantorei, der Chor des Albert-Einstein-Gymnasiums und der Concentus Böblingen unter Leitung von Eckhart Böhm in St. Maria. Es war ein kleines Wagnis abseits des gängigen Repertoires, Musik, die nicht jedem geläufig ist, die nicht nur betört. Aber warum sollte man zum hundertsten Mal "Elias", "Schöpfung" oder "Messias" aufführen?

Honeggers Stilvielfalt wurde von den Ensembles sicher umgesetzt. Man musste nichts über König David wissen, um Honeggers Oratorium zu verstehen, denn alles Wesentliche wurde vom Sprecher erläutert: Stefan Müller-Ruppert trat in St. Maria als Autorität auf. Man erlebte David auf der Höhe seines Ruhmes, dann als schwachen Vater, unbeherrschten Ehebrecher und skrupellosen Mörder, man erlebte ihn als zerknirschten Büßer. "Ich bin gezeugt in Sünd und Not, ich bin verdammt zu ewgem Tod", sang der Chor und verlieh David so eine Stimme. In der Bibel gibt es viele Niedergangsgeschichten, Helden, die strahlend beginnen und düster enden. König Saul ist so eine Gestalt. Auch David verliert zunehmend an Glanz. Am Schluss von Honeggers Oratorium wird er freilich verklärt.

Die Böblinger Kantorei, die dieses Jahr 50 wird, verband sich für dieses Projekt mit dem Chor des Albert-Einstein-Gymnasiums, den Simone Reißing-Szabó betreute. Diese Kooperation tat der Kantorei gut und verjüngte hörbar den Chorklang. Einnehmende Jugendlichkeit konnte man in Passagen wie "Du morgendliches Licht" oder beim "Singet dem Herrn ein neues Lied" genießen. Trotz seiner Größe operierte der Chor überhaupt nicht schwerfällig oder grobkörnig, sondern mit hellen transparenten Farben. Auch zahlreiche Details überzeugten. Der Choral "Lob sei dem Herrn in seinem Glanze" wurde mit jazzigem Geist erfüllt, fast alles mit großer Leichtigkeit gesungen.

Nicht nur Chor und Orchester hatten Schwieriges zu bewältigen, auch das Trio der Gesangsolisten: Ulrike Dehnen (Sopran), die sich in hohen Regionen bewegte, Xenia Maria Mann mit ihrem voluminösen Alt und Johannes Petz. Der Tenor sang besonders gelassen, beim "und fliehe und singe dem Herrn ein neues Lied!" stieg seine Stimme aufwärts.

Der Concentus Böblingen tönte präsent wie selten: Kräftiges Blech verlieh den Märschen Markigkeit, auch die Holzbläser trugen gelenkig und expressiv zur Farbigkeit des Gesamtklangs bei. Eckhart Böhm gelang es, Sängermassen, Solisten und Orchester zusammenzuhalten. "Und David, der Gewaltige, mit Ruhm bedeckte, ward ein Greis in seinem Schloss", formuliert der Sprecher gegen Ende des Oratoriums. "Tod und Verklärung" heißt die Formel bei Richard Strauss, dessen Farbenreichtum Honegger zu erreichen sucht. Honeggers großes Oratorium endet mit Davids Verklärung und Tod. Am Schluss des Werks herrscht "Parsifal"-Seligkeit, Honegger bedient sich bewusst des Tonfalls von Wagners letzter Oper. Nach den aufreibenden Tumulten der Stimmen wirkt diese Apotheose ums so effektvoller. Das Oratorium mündet in die Verheißung des Messias.