Ein gewaltiges Geschichtsstück


14.07.2009 _ Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung _Von unserem Mitarbeiter Bernd Heiden


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König David, vom gebürtigen Schweizer, später in Frankreich lebenden Arthur Honegger Anfang der 1920er Jahre komponiert, ist dabei ursprünglich kein Oratorium, sondern eine Bühnenmusik. Anlass der Komposition war damals die Wiedereröffnung des 15 Kilometer nordöstlich von Lausanne gelegenen Volkstheaters Théâtre de Jorat. Das Stück schildert entlang des Alten Testaments das ereignisreiche, von politischen Wirren, Intrigen und schlimmen Verbrechen geprägte Leben König Davids, jedermann bekannt als einer der großen israelitischen Könige und sprichwörtlich geworden durch seinen Sieg über den Philisterkoloss Goliath.

Schlachten und Scharmützel

Vor allem die erste Hälfte des gut einstündigen Werkes ist geprägt von Schlachten und Scharmützeln, die damals die Israeliten mit den Philistern ausfochten. Die sehr originelle Musik ist dementsprechend deutlich militärisch angetüncht und wird vom nur 16 Köpfe zählende, ohne Violinen und Bratschen, nur mit Bläsern, Cello, Kontrabass, Schlagwerkern, Klavier und Harmonium besetzten Orchester oft unerwartet kraftvoll, dem Geschehen entsprechend auch martialisch rübergebracht.

Stilistisch bewegt sich Honegger im Umfeld eines Strawinsky und des Impressionismus, bricht dabei aber immer wieder auch in simplifizierend-archaische Richtungen wie in spätromantischere Strömungen aus. Bis auf ein paar kleinere Mucken folgt das Orchester Dirigent Böhm dabei ausgezeichnet. Die zahlreichen, teils sehr anspruchsvollen Solopartien zeigen, dass hier Profis am Werk sind.

Im Tutti kann der Chor mit dem kleinen, aber kraftstrotzenden Orchester durchaus mithalten. Gerade der Chorsopran ist durch die Fusion von AEG und Kantorei eine Klangmacht. Nicht nur optisch, sondern auch akustisch wird indes mehrfach deutlich, dass die Männer stark unterrepräsentiert sind. Ohne Frauenunterstützung sind die Herren das schwache Geschlecht in den Partien, in denen Honegger das Orchester entfesselt. Dennoch, insgesamt präsentiert sich der Chor sehr ansprechend, mal zupackend, mal sensibel, ebenso flexibel im Ausdruck wie die Instrumentalisten, wenn gerade im späteren Teil David zu Altersweisheit und Milde gefunden hat.

Lediglich eine kleine Schlussanmerkung zum Chor: Um den Kontrast zwischen mehr romantischer und im Gegensatz dazu mehr archaischer Werksubstanz herauszuschälen wäre eine mal geschwungenere Linienführung, dann wieder noch entschiedenere Schärfung der Rhythmus-Komponente durchaus denkbar gewesen.

Das Gesangssolistentrio mit Ulrike Dehnen (Sopran), Xenia Maria Mann (Alt) und Tenor Johannes Petz ist den Anforderungen des Werkes im Prinzip voll gewachsen. Altistin Mann glänzt dabei mit Mehrfachbegabung: Auch die Sprechrolle der im eindringlich diabolischen kulminierenden Hokuspokus-Hexenszene meisterst sie bravourös. Sopranistin Dehnen bietet zwar einige sehr schöne Partien, wo allerdings Forte kombiniert mit Höhe verlangt ist, wird die Stimme unschön hart.

Beeindruckender Sprecher

Den vielleicht beeindruckendsten Part liefert indes der Sprecher. Stefan Müller-Ruppert regiert mit seiner Stimme im Kircheninneren im Stil eines mächtigen Königs. So bleibt am Ende kein Zweifel: Hier wird ein gewaltiges Stück Geschichte mit einer herausragenden Komposition zum 50-jährigen Bestehen der Böblinger Kantorei würdig in Erinnerung gerufen.

Für Honeggers Oratorium hat sich die Böblinger Kantorei, die 2009 ihr 50-jähriges Bestehen feiert, mit dem Chor des Albert-Einstein-Gymnasiums verstärkt. Bild: Stampe