Schön modellierte Feinheiten
Böblingen: Kantorei führt Antonin Dvoráks D-Dur Messe unter Tilman Jägers Leitung auf
SZBZ vom 13.Oktober 2004 (Bernd Heiden)

Eine im Vergleich zu vergleichbaren romantischen Werken à la Bruckner kleine Komposition schrieb Dvorák mit seiner Messe in D-Dur, die die Böblinger Kantorei in der Stadtkirche unter Leitung von Prof. Tilman Jäger mit Elisabeth Berner an der Orgel aufführte.


Mit dieser Messe stellte die Kantorei auch den weniger bekannten Dvorák vor, der dem Publikum vor allem durch seine Instrumentalwerke wie die 9. Symphonie oder die slawischen Tänze bekannt ist. Wer diesen Dvorák kennt, der dürfte Probleme haben, das Werk sofort als eine Schöpfung seines Autors zu identifizieren.

Zum Einen macht das Genre das typische Dvoráks, sein Arbeiten mit Motiven und Themen aus der slawisch-volksmusikalischen Tradition quasi unmöglich. Zum Anderen lässt es auch kaum Schlupflöcher für Mitreißendes und Schwungvolles, wie es Dvorák in seinen Instrumentalkompositionen gerne pflegt. Im Großen und Ganzen betrachtet ist die Messe denn auch ein eher in sich gekehrtes und leises Werk.

Stimmungswechsel Vers auf Vers

Wie wenige andere Messevertonungen aber überrascht dieses kleine Werk mit seinen manchmal eklatanten und schnell aufeinander folgenden Stimmungswechseln, die zeitweise fast Vers auf Vers folgen, etwa im Gloria. Auch wählt Dvorák ganz unterschiedliche kompositorische Mittel, die vom schlicht-demuthaften bis zu komplexen kontrapunktischen Verfahren reichen. Kennzeichnend auch der bisweilen fließende Übergang von Solo- in Gesangsduo-, -trio- und -quartettpassagen (Viola Bornmann, Sopran; Gudrun Koellner, Alt; Johannes Held; Tenor, Klaus-Dieter Mayer, Bass;), die in Chorstücke münden.

Vom Chor wird bei der Messe so zwar keine Vokalartistik, aber infolge des wechselnden Tons und - wenn auch weniger - ekstatischer Passagen innerhalb eines intimen Gesamtrahmens vokale Flexibilität verlangt. Und weil das alles fast im Kammerchorrahmen mit knapp 40 Sängern- und Sängerinnen abläuft, herrscht große Transparenz, die, neben vielen offenen Stellen, etwaige Inhomogenitäten in den Stimmgruppen gnadenlos aufdeckt.

Aber der Kantorei gelingt durch alle Frauen- und Männerstimmen hindurch eine sehr kompakte und geschlossene Abstimmung, einen Tick homogener als alle anderen sangen am Samstag dabei wohl die Bässe. Sehr schön modelliert das Ensemble Feinheiten wie die Phrasierungsschwerpunkte der lang gezogenen Kyrie-Melodiebögen, das somit herrlich atmet, auch zeigt der Chor selbst im Leisen einen reichen Klang.

Bei einigen sehr hohen Stellen lassen sich die Soprane die Anforderungen kaum anmerken, bei kurzen Jubelausbrüchen zeigt das Ensemble zwar volumenstarke Emotion, wahrt aber die gebührende Fassung. Die Kantorei erfreut insgesamt mit einer breit gefächerten Farb- und Dynamik-Skala, letztlich verrät vieles die große Sorgfalt, mit der das Werk einstudiert wurde. Nicht sonderlich exponiert agieren die Solisten bei dem Werk, alle überzeugen letztlich mit Wohl- und stimmigem Zusammenklang.

Elisabeth Berner an der Orgel passte sich gut dem Ensemble an, die für sie größeren Aufgaben warteten auf sie freilich bei zwei Solo-Werken (Präludium und Fuge e-Moll BWV 548 von J.S.Bach; Deuxième Fantaisie von Alain). Berner bestach gerade in der Bachfuge mit erheblicher Virtuosität, allerdings, wohl auch Folge der recht halligen Akustik, geriet das komplizierte Stimmgeflecht gerade hier etwas dicklich bei Übergewicht von Prinzipal-Farben. Gerade die relativ kernig-erdigen Pedalregister neigten dabei stets zu leichter Dominanz.