Kantor Böhm macht alle nass

01.08.2007 - Vom Mitarbeiter der SZBZ - Bernd Heiden

Mit dem Klavierduo Schostakowitsch aus Bologna, dem Posaunenchor der Böblinger Stadtkirche und Sopranistin Ulrike Dehnen hatte sich die Böblinger Kantorei unter Leitung von Eckhart Böhm für ihren Auftritt beim Maurener Sommerreigen verstärkt. Nicht nur wegen des Programms brachte dieses Konzert faustdicke Überraschungen.

"Aus heiterem Himmel", so war dieser vorletzte Abend beim 18. Maurener Sommerreigen überschrieben - Ein Programmtitel, der auf den ersten Blick vom Kirchenchor rein Weltliches erwarten ließ. Wo freilich der Himmel hineinspielt, da ist mitunter das ganz Profane nicht immer das Nächste.

Irdisches in Teil eins

Mit dem für Teil eins ausgedruckten Programm indes bewegten sich die Beteiligten noch ganz in irdischen Gefilden. Ganz sensibel und aufmerksam musste das Klavierduo Schostakowitsch (Sabrina Alberti und Luisa Fanti) die Kantorei bei Brahms' Liebeslieder-Walzern op. 52 begleiten, was die beiden Bologneserinnen auch mit Bravour taten. Denn Dirigent Böhm (Bild: z) kitzelte aus den Sätzen und letztlich der Kantorei alles heraus, was diese romantischen Sätze zu Perlen der Chorliteratur macht.

Ob weit geschwungen und halb euphorisiert im Liebestaumel, feurig-geifernd im Misanthropischen ("Nein, es ist nicht auszukommen"), zart flötend ("Nachtigall, sie singt so schön") oder immer mal wieder zupackend, detailliert, bewegungsfreudig und nuancenreich gab sich der Chor, ohne ins Fettnäpfchen der Kleinteiligkeit - der Tod aller Romantik - zu treten.

Die leider betrübliche Botschaft: Nur rund die Hälfte der Brahms-Sätze klang auch gut. Die wüstengleich trockene Akustik der Scheunenkirche lässt in offenen Partien, vor allem Soli der einzelnen Register, nicht mehr zu. Gerade dem Sopran hätte man oftmals Politur durch bessere Raumbedingungen gewünscht.

Mit Teil zwei des Konzerts bewegte sich der Chor dann in der weltlich-sakralen Grauzone, denn als kleiner, von Kantor Böhm erzählter Konzertrahmen fungierte nun ein Traugottesdienst. Das Ensemble marschierte so zu einem Mischmasch aus Mendelssohn-Wagner'schem Hochzeitsmarsch des Posaunenchors aufs Podium, auf dem sich fortan alles mögliche Unerhörte abspielte. Gounods "Ave maria"-Intonation beispielsweise mit Publikum, eine wüste Verballhornung desselben mit einem "Ave Joseph", die Schöpfungsgeschichte nach einer Version Frederick Loewes mit einer Fuge über den Vers "Der Herrgott schuf-tete" bis hin zu Georg Kreislers auch von der Chorbehandlung her rotzfrechem "Der Musikkritiker" - Alles überaus köstlich, auch wenn der Chor hie und da Probleme offenbarte. Wirklich störend wirkte nur, dass Textverstehen zeitweise unmöglich war.

Glänzende Vorstellung

Ganz anders bei der von Michael Kuhn am Klavier begleiteten Sopranistin Ulrike Dehnen, die, anders als bei ihren kurzen Brahms-Intermezzi, mit vielen operettenhaften Filmmusiktiteln, unter anderem von Franz Grothe, eine glänzende Vorstellung gab, egal ob nun schmachtende Leidenschaft oder ironische Abgeklärtheit ("Frauen sind keine Engel") geboten war.

Beredt und schlagfertig

Mit Brahms' Variationen über ein Schumann-Thema op. 23 präsentierte sich das Schostakowitsch-Duo als ausgezeichnet eingespielt und feinnervig, allerdings nicht immer von letzter Konsequenz beseelt: Beide verschenkten viel in Sachen Spannungsaufbau, da sie die kraftfordernden Steigerungsmomente nicht energisch genug ausreizten.

Die dickste Überraschung besorgte freilich Kantor Böhm, der öffentlich breitenwirksam nur als Organist und Dirigent bekannt ist. In der Rolle des Moderators nun entpuppte er sich als so eloquent, souverän, witzig und schlagfertig, dass 99 Prozent der Vollprofis aus Rundfunk- und Fernsehbranche neben dem Kirchenmusiker wie nasse Waschlappen dagestanden hätten.